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Nahverkehr auf afrikanisch

Jan. 15, 2024

Es gibt ihn hier, den öffentlichen Personennahverkehr, ich habe ihn sogar mal fotografiert. Sehr alte Minibusse, oft so überfüllt, dass junge Männer auf dem Trittbrett mitfahren. Selbst mitgefahren bin ich noch nie. Nicht, dass ich nicht gewollt hätte, aber jedes Mal, wenn ich Freunde danach fragte, wie es funktioniert, sahen sie mich mitleidig bis entsetzt an: „Das willst du nicht wirklich ausprobieren.“ Also fahre ich mit dem Verkehrsmittel, das alle meine Freunde benutzen: dem Taxi. Und vermisse manchmal schmerzlich mein Fahrrad, das sich hier für viele Strecken anbieten würde. Aber Fahrräder gibt es hier sehr wenige, noch weniger als Pferdewagen, die zum Stadtbild und -sound gehören.


Die Taxis in Dakar sind orange-gelb, meist französischer Herkunft und sehr alt. Es quietscht, klappert und schleift immer irgendwo, den Sitzbezügen sieht man die jahrzehntelange Nutzung an, sie sind oft so zerschlissen, dass das Schaumgummi hervorquillt. Alles das bemerke ich kaum noch. Was mich anstrengt, sind die Preisverhandlungen. Denn hier wird der Preis für jede Taxifahrt neu ausgehandelt. Ich gestehe, dass ich manchmal mein Viertel nicht verlasse. Denn abgesehen davon, dass es hier eigentlich alles gibt, was ich brauche (ein bisschen wie in Berlin, plus Strand mit fantastischem Sonnenuntergangsblick), ermüdet mich die Vorstellung, erst einmal mit einem Taxifahrer zu diskutieren. Denn natürlich rufen die Taxifahrer bei mir zunächst immer einen etwa doppelt so hohen Preis auf wie bei Einheimischen. Ich handle inzwischen recht gut, erreiche allerdings selten die Preise, die Khady mir vorgibt. Maximum 3500 CFA-Franc, schärft sie mir ein. Das sind umgerechnet immerhin über fünf Euro. Ich lande dann doch oft bei 4000, weil ich aufgebe.


Neuerdings gibt es allerdings in Dakar auch so etwas wie Uber, das hier Yango heißt. Weil ich doch hin und wieder andere Viertel besuchen möchte, lade ich mir die App auf mein Telefon. Allerdings kommt der Bestätigungscode, mit dem ich die App aktivieren soll, weder per SMS noch per WhatsApp bei mir an. Ich schreibe also den Support an, der – darüber staune ich sehr – innerhalb einer halben Stunde antwortet. Weiterhelfen kann er mir allerdings nicht. Man kenne das Problem, die senegalesischen Telefonunternehmen ließen diese Nachrichten nicht durch, ich müsse mich also an meinen Telefonanbieter wenden. Da ich am nächsten Morgen verreisen will, habe ich keine Möglichkeit mehr, bei Orange vorstellig zu werden.


Also verlasse ich am nächsten Morgen gegen acht Uhr das Haus, um mir ein Taxi zu suchen, das mich zum Gare Routiere Beaux-Maraichers, dem Busbahnhof am anderen Ende der Stadt bringt. Diese Strecke kostet mehr als eine übliche Stadtfahrt, weil es wirklich weit ist. Früher habe ich meist Khadys Chauffeur gebeten, mich abzuholen, nachdem er ihre Kinder zusammen mit einigen weiteren zur Schule gebracht hatte. 5000 war ein durchaus fairer Preis. Aber Khady ist in Kanada und stapft vermutlich dieser Tage mit ihren Kindern durch Schnee zur Schule. Oder nutzt den dort vorhandenen öffentlichen Nahverkehr. 


Keine angenehme Vorstellung, den Tag mit einer Taxi-Verhandlung zu beginnen, aber ich habe keine Wahl. Um diese Zeit ist die Stadt noch still, nur vor dem Haus putzen zwei junge Männer ihre Autos. Wir nicken einander ein Bonjour zu, und einer fragt mich, ob ich ein Taxi brauche. Ja, schon. Zögernd schaue ich auf das anthrazitfarbene Auto. Er sei Yango-Fahrer, sagt er und könne mich für 4000 dorthin bringen. Ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann.


Erst während ich dies niederschreibe, fällt mir auf, dass ich eine der wichtigsten Regeln nicht beachtet habe, nämlich: Steig nie zu Fremden ins Auto. Aber es wäre doch unwahrscheinlich gewesen, dass ausgerechnet Samstagmorgen vor meiner Haustür ein Entführer sein Auto putzt, oder?


Am Ende der Fahrt habe ich die Telefonnummer eines Yango-Fahrers, der auch noch direkt nebenan wohnt. Das ist viel besser als eine App, finde ich.

 

P.S. Vom Gare Routiere Beau-Marchaires bin ich schon an verschiedene Orte gefahren. Darüber erzähle ich in meinem Buch „Afrikas Pulsschlag: Begegnungen in acht Jahren und vier Ländern“. Darüber habe ich auch im Podcast habe ich mit Regina Lehrkind gesprochen, hier ist der Link zum Nachhören: https://www.youtube.com/watch?v=ap_i6mJv-Yw&t=17s


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