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Endlich ist Sommer geworden und deshalb lade ich am 30. August mit meiner lieben Kollegin Caroline Kemps de Escalante zu einer Lesung unter einer Zehlendorfer Rotbuch ein. Caroline liest aus ihrem Roman "Aschebraut", ich aus "Der Äthiopier". Die „Aschebraut“ von Caroline setzt dort ein, wo das Aschenbrödel zu Ende ist – die Geschichte war einfach noch nicht auserzählt. Freut Euch auf die packende Fortsetzung. Der Roman „Der Äthiopier“ von Dorrit erzählt – nach einer wahren Geschichte – die aufregende Lebensgeschichte von Adane, der in seinem Leben zwischen Äthiopien und Deutschland einmal mehr aufsteht als er fällt. Für Getränke zu fairen Preisen wird gesorgt sein und falls das Wetter nicht mitspielt, gibt es eine Regenvariante. Wir freuen uns auf einen wundervollen Nachmittag mit Märchen und Abenteuer. Wenn Du dabei sein möchtest, schicke mir eine Nachricht - ich schicke Dir dann genaue Daten, so die Lesung noch nicht ausgebucht ist.

Als ich den Titel dieses Buches zum ersten Mal las, dachte ich, er sei ironisch gemeint. Denn das – so meinte ich – hätte sich doch nun wirklich überall herumgesprochen, dass Afrika ein Kontinent ist. Oder? Und dann geschah es just in diesen Wochen: Irgendjemand sprach in meinem Umfeld von dem schönen Land Afrika. Der Titel ist also beides: Ironie und Aufklärung. Diese Mischung aus Ironie und Aufklärung findet sich im gesamten Buch immer wieder und macht die Lektüre zu einem anregenden und informativen Vergnügen. Der Nigerianer Dipo Faloyin nimmt sich verschiedener Aspekte des Afrika-Bildes in Europa bzw. Amerika an und zeigt eine andere Perspektive auf den Kontinent. Wie zum Beispiel auf die Berliner Konferenz 1884/85, bei der europäische Mächte Afrika unter sich aufteilten, willkürliche Grenzen zogen, die kolonialen Interessen entsprachen und nicht ansatzweise die Bedürfnisse derer berücksichtigten, die dort lebten. Soweit oft noch bekannt und bis heute deutlich sichtbar auf der Karte des Kontinents mit vielen schnurgeraden, mit dem Lineal gezogenen Grenzen. Faloyin beschreibt, wie die Folgen dieser Aufteilung bis heute nachwirken. Als die Länder in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erlangten, fanden sie sich in Zusammenschlüssen von Stämmen, die im Grunde nichts miteinander zu tun hatten. Die frisch unabhängig gewordenen Nationen standen vor der Frage, ob sie die künstlich gezogenen Grenzen rückabwickeln sollten oder versuchen, etwas aus den „Zwangsgemeinschaften“ zu machen. Sie versuchten sich in letzterem. Mit allen Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, wenn Völker willkürlich von Fremden zusammengezwungen werden. Dieser letzte Aspekt war mir selbst so nicht klar gewesen, mein Blick war eher ein westlicher: Ja, war schlimm, diese Berliner Konferenz, ist ja nun aber lange her und nicht mehr zu ändern. Für mein Leben, für das Leben in Deutschland hat das völkerrechtliche Verbrechen von vor 140 Jahren keine Konsequenzen mehr, auch wenn es hier geplant wurde. Für die Bevölkerung der betroffenen Staaten aber durchaus. Ein Kapitel widmet Faloyin der Helfer-Industrie. Es gibt ja nach wie vor in Europa bzw. dem Westen die Meinung, wir hätten jetzt wirklich mal genug Geld dorthin geschickt und es sei doch an der Zeit, dass „die dort“ auch endlich ohne unser Zutun auskommen. Dabei ist vielen nicht klar, dass auch der Westen von der Helfer-Industrie profitiert: Angestellte von Hilfsorganisationen haben großes Interesse daran, dass die Hilfe für Afrika und ihre Jobs bestehen bleiben. Prominente lassen sich für ihr Engagement feiern und ignorieren Hinweise von Afrikanern, dass sie mit ihren Aktionen unnötigerweise das – für den Westen auch bequeme – Narrativ vom armen Afrika fördern und reproduzieren. Besonders berührt und getroffen hat mich das Kapitel darüber, wie Afrika in der Kunst, vor allem in Filmen dargestellt wird. Das Kapitel von schmerzhaft beißender Ironie stellt bloß, wie Afrika und die Afrikaner gern als Kulisse benutzt werden, um Geschichten von Weißen zu erzählen. Wie Afrika noch immer von Weißen erzählt wird. Und wie ermüdend es für Afrikaner ist, sich dieser Erzählung entgegenzustellen. Ein weiteres Kapitel widmet sich den gestohlenen Artefakten, die die Museen in Europa füllen. Denjenigen, aus deren Kultur sie stammen, ist der Zugang zu ihrem kulturellen Erbe verwehrt; es ist ja nicht so, dass ich Nigerianer einfach mal ins Flugzeug setzen und in London oder Berlin Benin-Bronzen ansehen können. Und noch immer verweigern europäische Museen mit Ausreden von erstaunlicher Kreativität die Rückgabe. In dem Kapitel „Die Geschichte der Demokratie in sieben Diktaturen“ schreibt Faloyin, dass weniger als 10 % von Afrika autoritär regiert wird. Der Eindruck mag ein anderer sein – was auch an der Berichterstattung über Afrika liegt. Dieses Kapitel erzählt von der Politik in sieben verschiedenen Ländern und davon, wie die Kolonialzeit bis heute nachwirkt, z.B. in Ruanda. Oder wie sehr heutige Politik noch immer verbunden ist mit westlichen Interessen, wie der Kampf um Ölvorkommen, z.B. in Nigeria, zeigt. Heiter kommt hingegen das Kapitel „Die Jollof-Kriege: Eine Lovestory“ daher. Jollof-Reis, heißt in den verschiedenen, vorwiegend westafrikanischen Ländern unterschiedlich und wird jeweils ein bisschen anders zubereitet wird. Selbstverständlich ist jedes Land davon überzeugt, den besten Jollof-Reis zuzubereiten. Da Dipo Faloyin Nigerianer ist, muss man nach der Lektüre dieses Kapitels davon ausgehen, dass in Nigeria der beste Jollof-Reis gekocht wird. (Das werde ich selbstverständlich niemals gegenüber meinen senegalesischen Freunden erwähnen.) Das Schlusskapitel „Was kommt als Nächstes?“ berichtet von hoffnungsvollen Entwicklungen: Zivilen Protesten gegen Polizeigewalt in Nigeria, Demonstrationen gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen in Namibia und von Botswana, einem Land mit großen Diamantvorkommen, in dem die Regierung die Erlöse aus diesen Vorkommen für die Bevölkerung einsetzt. Nicht nur dieses Kapitel macht Hoffnung. Das ganze Buch setzt den Stereotypen etwas entgegen, in denen Afrika oft gesehen und erzählt wird. Afrika ist so anders als die Erzählung darüber. Ein Kontinent positiven und negativen Seiten, wie jeder andere auch. Ein Kontinent mit vierundfünfzig Ländern, mit einer jungen, optimistischen und resilienten Bevölkerung. Ein Kontinent, auf den sich ein anderer Blick lohnt – der von Dipo Faloyin auf jeden Fall. Dipo Faloyin Afrika ist kein Land Aus dem Englischen von Jessica Agoku Erschienen im Suhrkamp Verlag

Am 7. August 2025 um 19:30 Uhr lade ich zu einer Online-Lesung aus meinem preisgekrönten Roman "Der Äthiopier" ein. Der Roman erhielt in diesem Jahr den Literaturpreis "Aufstieg durch Bildung" der noon Foundation Mannheim. Unter den Gästen der Lesung verlose ich - privat - drei signierte Exemplare der neuen Ausgabe von "Der Äthiopier", erschienen im RavenPort Verlag am 31. Mai 2025 Der Link wird Dir am Tag der Lesung zugesandt. Ich freue mich auf Dich. Bitte melde Dich hier an:

Am 22. März war es so weit: In Mannheim fand die Preisverleihung für den Literaturpreis „Aufstieg durch Bildung“ 2025 statt, den ich für den Roman „Der Äthiopier“ bekam. Weil ich danach oft gefragt wurde, erzähle ich hier kurz die Vorgeschichte. Ich hatte eine der letzten Ausschreibungen für den Preis gesehen, zu einer Zeit, als ich noch an dem Roman schrieb, und damals schon gedacht: Wenn ich irgendwann so weit bin mit dem Roman, dass eine Veröffentlichung bevorsteht, sollte ich das Manuskript für diesen Preis einreichen. Das Thema Bildung spielt in dem Roman eine große Rolle – auf Adanes Weg von der Savanne in die Schule und an die Universität bis zu seinem eigenen Engagement, mit dem er Jahrzehnte später selbst Kindern aus der Savanne den Schulbesuch ermöglichte. Bildung war der große Bogen seines bewegten Lebens. Als ich im vergangenen Jahr die Veröffentlichung des Romans vorbereitete, fand ich die aktuelle Ausschreibung des Preises. Noch immer fand ich, dass Adanes Geschichte unbedingt dieser Jury vorgestellt werden musste und sandte also das Manuskript – wie gefordert – anonymisiert und mit ausgewählten Textstellen nach Mannheim. Viel Hoffnung hatte ich nicht – schließlich hatte ich schon fast drei Jahre bei Agenturen und Verlagen geklappert, weil ich sicher war, dass es ein gelungenes Buch ist, aber offenbar recht allein mit meiner Meinung war. Immerhin war ich sicher genug, es selbst herauszugeben. Rasch vergaß ich die Einreichung wieder, irgendwann im September dachte ich mal einen flüchtigen Moment lang, dass ich vermutlich irgendwann lesen würde, wer ein besseres Manuskript eingereicht hatte. Und vergaß es wieder, so dass der Anruf Ende Oktober eine echte und willkommene Überraschung war. Und dann begannen die Vorbereitungen der noon Foundation für die Preisverleihung – gestemmt vom Stifterehepaar Esther und Herbert Noack, deren E-Mails mir in den Wintermonaten in Dakar immer willkommen waren. Aus jeder Zeile sprach ihre Vorfreude auf die Preisverleihung und der Wunsch, es zu einer besonderen Veranstaltung zu machen – vor allem für mich als Preisträgerin, aber auch für alle anderen Beteiligten und die Gäste. Und es gelang: Ich hatte einen wunderbaren Tag in Mannheim. Bereits am Vorabend der Veranstaltung lernte ich Esther und Herbert Noack kennen, zu einem Ortstermin am Veranstaltungsort, der Stadtbibliothek Mannheim. Auf dem gemeinsamen Weg vom Hotel zur Bibliothek erhielt ich eine kleine Stadtführung und nach dem Besichtigungstermin noch einen Drink, bei dem wir uns über die Stadt, den Preis und das Schreiben austauschten. Etwas aufgeregt war ich am Samstagmorgen schon, eine Veranstaltung, die sich hauptsächlich um mein Buch drehen sollte – das ja, wie erwähnt – drei Jahre lang vergeblich ein Verlags-Zuhause gesucht hatte. Es tat gut, zu hören, dass die Jury in ziemlicher Einigkeit meinen Text ausgesucht hatte, wie Dorothea Birkholz in der Laudatio verriet. Ein anderes Detail verriet sie ebenfalls: Niemand aus der Jury hatte dem Text widerstehen können; alle hatten das komplette Manuskript (ca. 350 Seiten) gelesen, obwohl ich gemäß den Ausschreibungsbedingungen nur etwa 130 Seiten für die Jury ausgewählt und gekennzeichnet hatte. Zur Begründung für die Wahl sagte Dorothea Birkholz von der Jury: „Der Äthiopier“ hat uns überzeugt. Doch warum? Ist es die Sprache, die sich in Stil und Ausdrucksweise den Lebensphasen der Hauptperson anpasst und dadurch so lebendig und authentisch ist? Ist es die Erzählweise, die unseren Blick auch auf Kleinigkeiten lenkt und uns so intensiv am Geschehen teilhaben lässt? Oder ist es das Verknüpfen von konkreten, politischen Gegebenheiten mit einem persönlichen Schicksal, das zeigt, wie unterworfen individuelles Schicksal von Einzelnen ist? Ganz sicher aber war es auch das Leitmotiv im Handeln des Helden, dass Bildung der Schlüssel zur Lösung von Problemen – nicht nur in Deutschland und in Äthiopien – sein kann. Das Schicksal des Mannes aus Afrika kann somit exemplarisch für ein Leben stehen, in dem die Fremdheit des afrikanischen Kontinents mit der Vertrautheit des Lebens in Deutschland (anfänglich in der DDR, später im vereinigten Deutschland) zusammengefügt ist. Da gibt es kein besser oder schlechter, kein rückständig oder fortschrittlich, ja, keine Wertung, nur anerkennendes und wertschätzendes Beschreiben. Vielen Dank an die Jury für diese berührenden Worte zu dem Roman. Vorher begrüßte Herbert Noack von der noon Foundation die etwa 60 Gäste der Veranstaltung, der Bürgermeister für Bildung, Jugend und Gesundheit Dirk Grunert sprach ein Grußwort – in dem er vor allem die Verdienste der noon Foundation Mannheim für die Stadt hervorhob, auf die ich hier auch verweisen möchte: Die Stiftung fördert die Bildung und Erziehung, insbesondere von bedürftigen Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten, in der Rhein-Neckar-Region. Eine wertvolle Initiative. Christine Wieder, die Leiterin der Stadtbibliothek, hielt ebenfalls ein Grußwort – und hob darin vor allem die Vorleseprojekte von Esther Noack in Ihrem Haus vor. Zwischendurch konnten wir alle uns von vielen Worten erholen, wenn Juliana Saib auf dem Klavier spielte. Die anschließende Lesung aus dem Roman war so spannend, dass anschließend alle Exemplare des Buches verkauft wurden, die die Buchhandlung Bender mitgebracht hatte, eine der ältesten Buchhandlungen Deutschlands. – Und ich hatte zuvor noch skeptisch gesagt: „Naja, was Sie heute nicht verkaufen, können Sie dann ja in die Buchhandlung mitnehmen.“ Dafür blieb dann nichts mehr übrig. Ich signierte fleißig und kam mit dem einen oder anderen Gast noch ins Gespräch, trank noch ein oder zwei Glas Wein – ehe Herbert Noack, die Jurymitglieder und ich zum gemeinsamen Mittagessen aufbrachen. Das dauerte über drei Stunden bei anregenden und angeregten Gesprächen. Was für ein Tag! Eine Ehrung für mein Buch, über die ich mich noch immer sehr freue – auch weil sie so unerwartet war. Danke an alle Beteiligten.

Ich schreibe diesen Text in meinem Quartier in Dakar Ouakam, einem der jüngeren Viertel der Stadt, das wächst und wächst. Das erkennt man gut an den vielen Baustellen. Einige davon befinden sich leider in meinem direkten Umfeld. Vor drei Jahren wurde das Dachgeschoss des Hauses, in dem ich wohne, zu einer Terrasse mit zwei kleinen Zimmern ausgebaut. Wochenlang dröhnten Hammerschläge direkt über meinem Kopf - so laut, dass sie in einer Videokonferenz zu Irritation bei einer Kollegin in Europa führten. In den vergangenen beiden Jahren wurde ein Haus genau gegenüber gebaut. Das ist nun fertig und ich sehe auch schon erste Bewohner dort. Das hat mich bei meiner Ankunft vor knapp drei Monaten sehr gefreut – von dort war also kein Hämmern mehr zu erwarten, kein Kreischen von Kreissägen. Leider gibt es genau neben unserem Haus schon seit Jahren ein halbfertiges, und der Bauherr hat beschlossen, dass daran just in diesen Tagen weitergebaut werden muss. Es wird gerade die Etage auf meiner Höhe gebaut und wenn ich morgens die Vorhänge vor meinem Fenster öffne, winken mir die Bauarbeiter zwischen zwei Hammerschlägen ein fröhliches „Bonjour“ zu. Eines Tages wird dieses Viertel mal ein sehr gemütliches, ruhiges sein; auf einer kleinen Freifläche vor dem Haus wurden inzwischen sogar ein paar Bäume gepflanzt und Bänke aufgestellt. Mit ähnlichen Freiflächen in Berlin ist diese allerdings nicht vergleichbar, die Bäume sind zwar da, prägen die Freifläche jedoch (noch) weit weniger als der Bauschutt, der dort ebenfalls abgelegt wird. Vor drei Wochen hatten sich mal ein paar Männer am Sonntagvormittag getroffen, um den Platz vom Müll zu befreien. Doch leider hat das nur dazu geführt, dass die Baustellen sich darüber freuen, wieder mehr Platz für neuen Müll zu haben. So sitze ich also hier, lasse mir über meine Active-Noise-Cancelling-Kopfhörer Waldgeräusche einspielen – was einen seltsamen Klangmix in meinen Kopf spült: Vogelzwitschern mit Hammerschlägen, die leider nicht ganz gecancelt werden. Ich tröste mich damit, dass es alles in allem für Dakar ein gutes Zeichen ist: die Wirtschaft brummt, die Stadt wächst, Wohnungen entstehen. Mehrfach am Tag gesellen sich zu diesen Geräuschen die Rufe des Muezzins, die nächste Moschee ist nur etwa einhundert Meter entfernt. Das ist nicht die einzige Moschee, deren Ruf ich höre, nur die nächste. An normalen Tagen ruft der Muezzin fünf Mal zum Gebet. Freitags singt er außerdem stundenlang, denn das ist der Haupt-Bet-Tag der Muslime. Und es gibt spezielle Feiertage, an denen den ganzen Abend gesungen wird, nach einer immer wiederkehrenden Melodie, die etwas Meditatives hat. Andere Geräusche der Stadt gesellen sich dann noch dazu: klappernde Scheren von mobilen Schneidern, Angebote von fliegenden Händlern aus scheppernden Lautsprechern, rangierende LKW, ratternde Motorroller, hupende Autos. Insbesondere in den Vormittagsstunden das durchdringende Hupen der Müllautos. So funktioniert nämlich die Müllabfuhr hier: Wenn das Müllauto am Straßenrand parkt und sein Signal gibt, strömen die Anwohner mit ihren Müllsäcken oder Eimern dorthin. Oder die Hausmeister – ich habe das große Glück, in einem Haus mit einem wunderbaren Hausmeister zu wohnen, so dass ich die volle Mülltüte nur vor der Wohnungstür abstellen muss, um den Rest kümmert sich Souleiman, ein junger Einwanderer aus Mali, der auch für alle sonstigen Wohnungsangelegenheiten zur Verfügung steht. Und er kann Karate, was vielleicht auch mal nützlich sein kann. Weiterhin sind da die jungen Männer, die einen Großteil des Tages auf den Stufen des Hauses gegenüber sitzen, miteinander scherzen oder diskutieren, auf ihren Smartphones Musik hören oder Fußballmatches verfolgen. Natürlich ohne Kopfhörer, das Vergnügen wäre ja nur halb so groß, wenn man es nicht mit anderen teilt. Wenn der andere Lärm es zulässt, höre ich sie mit den Vorübergehenden im Austausch: „Ca va?“ „Merci, ca va?“ – Zwei von ihnen sind Besitzer von Pferden mit zugehörigen Wagen. Wenn sie nicht gerade unterwegs sind, um (Bau-)Material zu transportieren, sitzen sie dort und warten auf Kundschaft. Das Pferdegetrappel und -wiehern gehört ebenfalls zum Sound der Stadt. Wie auch krähende Hähne und meckernde Ziegen, wobei letztere in meinem direkten Wohnumfeld selten geworden sind – vermutlich gibt es nicht mehr genug Platz für sie inmitten der Baustellen und frisch errichteten Häuser. Fehlen darf bei der Aufzählung nicht das Baby der Nachbarn, das gerade eine schwierige Phase durchmacht und manchmal eine Stunde lang schreit, gern spät am Abend. Oder die etwa zweijährige Tochter der Bonne (Haushälterin) im Haus gegenüber. Das Mädchen beginnt gerade, die Welt zu entdecken, wenn es nicht gerade auf dem Rücken seiner Mutter festgebunden ist, während diese die Stufen vor dem Haus fegt. Die Kleine läuft herum und wird mal von diesem oder jenem von der Straße zurückgehalten. Oder sie albert mit den Männern herum und tut ihre Bedürfnisse lautstark kund. Das ist der eher angenehme Sound der Stadt, in der sich ein Großteil des Lebens auf der Straße abspielt und die Nachbarn unaufdringlich ein Auge aufeinander haben. Auch auf mich. Daran musste ich denken, als ich vor etwa einem Jahr einen Artikel las, in dem ein schwedisches Projekt europaweites Interesse fand. Man wollte die Bürger einer Stadt im Norden Schwedens dazu animieren, einander häufiger „Hallo“ zu sagen. Als Maßnahme gegen Einsamkeit. Ich las darüber, während ich hier in Dakar saß, und wunderte mich: Daraus macht man in Europa ein vielbeachtetes Projekt? Hier wissen die Menschen intuitiv, dass diese Art des Umgangs miteinander wichtig ist. Dass wir Alle Teil einer Gemeinschaft sind und aufeinander achten müssen. Es ist einer der Gründe, aus denen ich gern hier bin – allen Baustellen zum Trotz. Und vielleicht gewöhne ich mir ja in Berlin auch an, hier und da mal ein „Hallo“ an Unbekannte einzustreuen.
"Der Äthiopier" erhält den Literaturpreis der noon Foundation Mannheim "Aufstieg durch Bildung" 2025 und wurde einige Mal in der Presse erwähnt. Hier eine Auswahl: https://www.stiftungen.org/aktuelles/news-aus-stiftungen/detail/literaturpreis-aufstieg-durch-bildung-2025-an-dorrit-bartel-14274.html https://www.boersenblatt.net/news/preise-und-auszeichnungen/dorrit-bartel-erhaelt-literaturpreis-aufstieg-durch-bildung-351373 https://www.firmenpresse.de/pressinfo2134043-literaturpreis-aufstieg-durch-bildung-2025-an-dorrit-bartel.html https://www.openpr.de/news/1270791/Literaturpreis-Aufstieg-durch-Bildung-2025-an-Dorrit-Bartel.html https://schreiblust-leselust.de/literatur-news-oktober-2024 Ich freue mich - noch immer - sehr und bin jetzt schon gespannt auf die Begegnung mit der Jury, dem Stifter und den Gästen der Preisverleihung in Mannheim im März.

Ich komme erst jetzt dazu, diesen Text einzustellen, im vergangenen Jahr hatte ich mal die Seite 3 der Schweriner Volkszeitung. Mit Claus Oellerking sprach ich damals über meine Reisen nach Afrika und das damals frisch erschienene Buch "Afrikas Pulsschlag" , das inzwischen seine neue Heimat im Verlag LeseGlück gefunden hat.
Die österreichische Schriftstellerin, Journalistin und Podcasterin Valerie Springer hat mein Buch gelesen und im Campus & City Radio 94.4 St. Pölten vorgestellt. Ich freue mich über ihre Einschätzung und Leseempfehlung. https://www.cr944.at/book-shot/ Nachzuhören auf spotify: https://open.spotify.com/episode/4VYjkrqZAl1lRciOmedBzN

Wow, ich bekomme den Literaturpreis der noon Foundation "Aufstieg durch Bildung" 2025. Und da ich selbst noch ganz sprachlos bin vor Freude darüber, poste ich hier den Pressetext der Stiftung, der auch hier nachzulesen ist: https://www.stiftungen.org/aktuelles/news-aus-stiftungen/detail/literaturpreis-aufstieg-durch-bildung-2025-an-dorrit-bartel-14274.html Und bin dann erst mal weg. Feiern. Presseinformation - Kurztext Literaturpreis "Aufstieg durch Bildung" 2025 an Dorrit Bartel Die Berliner Autorin Dorrit Bartel erhält den mit 5.000 € dotierten Literaturpreis „Aufstieg durch Bildung“ 2025 der noon Foundation, Mannheim. Unter 139 zum Wettbewerb eingereichten Texten überzeugte ihre kürzlich veröffentlichte Romanbiographie „Der Äthiopier“. Adane: Savannenkind, Missionsschüler, Student in der DDR, inhaftierter Politiker, Maurer und Maurermeister, Gründer eines Schülerwohnheims und Guide in Äthiopien. Mit unerschütterlichem Optimismus bewältigt er die Herausforderungen von Schule, Studium und Beruf – in der DDR, im vereinigten Deutschland und in Äthiopien. Adane weiß: Bildung ist der Schlüssel für die Lösung von Problemen. Glaubwürdig, direkt, unpathetisch, spannend und einfühlsam erzählt Dorrit Bartel von diesem bemerkenswerten Leben. Der Literaturpreis wird in Präsenz im März 2025 in Mannheim verliehen. Er zeichnet Literatur über die vielschichtige Thematik des Bildungsaufstiegs aus – jenseits geradliniger Erfolgsgeschichten. Die noon Foundation, Mannheim, fördert Bildungs-, Kunst- und Kultur-Projekte. www.noon-foundation.de Presseinformation - Langtext Literaturpreis "Aufstieg durch Bildung" 2025 an Dorrit Bartel Die Berliner Autorin Dorrit Bartel erhält den Literaturpreis „Aufstieg durch Bildung“ 2025 der noon Foundation, Mannheim. Unter 139 zum Wettbewerb eingereichten Texten überzeugte ihre kürzlich veröffentlichte Romanbiographie „Der Äthiopier“. Adane: Savannenkind, Missionsschüler, Student in der DDR, inhaftierter Politiker, Maurer und Maurermeister, Gründer eines Schülerwohnheims und Guide in Äthiopien. Sein wechselvolles Leben ist gekennzeichnet durch Liebe und Verantwortung für Frau und Kinder in Deutschland sowie durch die Verbundenheit mit seiner Großfamilie in Äthiopien. Die Politik durchkreuzt immer wieder seine Lebenspläne: in der DDR, im vereinigten Deutschland und in Äthiopien. Mit unerschütterlichem Optimismus nimmt er alle Herausforderungen an, auch die Härten. Aus seiner Freude am Lernen, von der Medizin über die Philosophie bis zum Handwerk, erwachsen dennoch immer neue Chancen. Adane weiß: Bildung ist der Schlüssel für die Lösung von Problemen – hier in Deutschland und in Äthiopien. Glaubwürdig, direkt, unpathetisch, spannend und einfühlsam erzählt Dorrit Bartel von diesem bemerkenswerten Leben. Die erneute Teilnahme so vieler Erzählungen und Romane deutschsprachiger Autorinnen und Autoren bestätigt das Interesse an diesem bildungspolitisch relevanten Thema. Der von der noon Foundation, Mannheim, ausgelobte Literaturpreis ist mit 5.000 € dotiert und wird in Präsenz im März 2025 in Mannheim verliehen. Im Jahr 2019 wurde der Text „Der Duft der Bücher“ (Dittrich Verlag) von Jenny Schon ausgezeichnet, 2021 das Buch „Ein Mann seiner Klasse“ (Claassen-Verlag) von Christian Baron und 2023 die Erzählung „Innenseiten“ von Andrea Zech. Anfang 2026 wird der Preis erneut ausgeschrieben. Die noon Foundation, Mannheim, fördert Bildungs-, Kunst- und Kultur-Projekte. www.noon-foundation.de

Ich habe dieser Tage meinen Flug nach Dakar für diesen Winter gebucht. Wie jedes Jahr vorerst nur den Hinflug, da ich noch keine Ahnung habe, wie lange ich bleiben oder ob ich noch in ein anderes afrikanisches Land reisen werde, von dem aus ich womöglich direkt zurück nach Berlin fliege … Obwohl ich das nun schon ein paar Jahre so mache, bin ich jedes Mal wieder aufgeregt, wenn ich das Ticket habe und die Tage und Wochen bis zu meinem Abflug herunterzähle. Ich freue mich auf mein anderes Leben auf dem anderen Kontinent, auf meine Freunde dort, auf das andere Lebensgefühl und – ich gebe es zu – auch darauf, in Sonne und Wärme zu arbeiten, während es in Berlin grau und kalt ist. Was für ein Privileg, so reisen zu können: Niemanden fragen zu müssen, ob ich fliegen darf. Mit meinem deutschen Reisepass steige ich einfach so ins Flugzeug und bekomme in Dakar einen Stempel, der mir für drei Monate gestattet, mich frei in dem Land zu bewegen. Dabei interessiert es den senegalesischen Staat nicht, ob ich mit irgendjemanden dort verlobt oder besonders befreundet bin. Auch muss ich nicht beweisen, dass ich genug Geld habe, meinen Aufenthalt zu finanzieren. Ich muss lediglich eine Adresse angeben, unter der ich zunächst wohne, wobei unerheblich ist, wie lange ich unter der Adresse dann tatsächlich zu finden sein werde. Ein Privileg , denke ich, während ich im Warteraum des Berliner Landesamt für Einwanderung sitze, um eine Verpflichtungserklärung für einen senegalesischen Freund – nennen wir ihn hier Omar – abzugeben, der seinerseits gern einmal nach Deutschland reisen möchte. Ich erkläre mit meiner Unterschrift, dass ich für alle Kosten aufkomme, die bei einer Reise von Omar nach Deutschland entstehen. Nicht dass Omar das nötig hat, aber vermutlich sind seine Chancen auf ein Schengen-Visum größer, wenn ich für ihn bürge. Ich lernte Omar über gemeinsame Freunde im Januar 2023 in Kedougou, einer Stadt im Südosten des Senegal kennen. Er ist Bauunternehmer, seine Firma baut Straßen und Brücken in der Region Kedougou und liefert außerdem für Gold- und Kobaltminen im Senegal und in Guinea-Conakry Material und Personal. Er war ein großartiger Gastgeber, nicht nur, weil er mir für fünf Tage einen Chauffeur zur Verfügung stellte, der mich durch die Region fuhr: In den Nationalpark Niokolo-Koba, zu den Dindefelo-Wasserfällen, ins Bassari-Land, wo die Menschen noch weitgehend unberührt von der Zivilisation leben. Sondern auch, weil ich bei ihm zum ersten Mal ein aufgeräumtes afrikanisches Unternehmen kennenlernte. Das fiel mir zuerst beim Blick auf seinen Schreibtisch auf, der nach Arbeit, aber nicht nach Chaos aussah. Später führte er mich über den Hof, der nicht die kleinste Spur der in Afrika üblichen Dreckecken oder halbfertigen Gebäude aufwies, von denen man anderswo oft nicht sicher sein kann, ob sie sich je in ein fertiges verwandeln werden. Alles war aufgeräumt und sauber, selbst die Toilette, was in Afrika wirklich sehr selten ist, zumindest bei solchen, in die sich normalerweise keine Touristen verirren (und selbst dort ... aber das ist ein anderes Thema). Mir war sofort klar, dass Omar sein Unternehmen akribisch führt. Ich sah es zwei Tage später bestätigt, bei einer offiziellen Veranstaltung. Verschiedene Bauunternehmer präsentierten sich mit ihren Fahrzeugen, und während die LKW von Omars Konkurrenten die in Afrika üblichen schiefen oder kaputten Stoßstangen und gesprungene Scheiben aufwiesen, glänzten die Fahrzeuge von Omar makellos. Was sicher auch auf den senegalesischen Minister für Stadtentwicklung, Wohnungswesen sowie öffentliche Hygiene Eindruck gemacht hat, den Special Guest dieser Veranstaltung. Am späten Nachmittag jenes Tages fuhr ich mit Omar und einem Kollegen noch an den Rand der Stadt Kedougou, wo Omar ein Grundstück besitzt, das er landwirtschaftlich bewirtschaften will. Da überraschte es mich schon nicht mehr, dass auch dort alles sehr aufgeräumt und die zukünftige Struktur der Farm bereits erkennbar war. Bei unserer Abfahrt schärfte Omar dem Angestellten vor Ort ein, das herumliegende Werkzeug nach getaner Arbeit ordentlich im Schuppen zu verstauen. Omar war übrigens auch der erste Afrikaner, der mir einmal fünf Minuten vor unserer Verabredung per WhatsApp mitteilte, dass er sich um ca. zehn Minuten verspäten werde. Solche Verspätungen sind in Afrika so üblich, dass sich sonst niemand die Mühe macht, sie anzukündigen. Deutsche Freunde, denen ich von Omar erzähle, fragen mich regelmäßig, ob er in Europa gelebt und/oder studiert hat. Hat er nicht. Er hat alles im Senegal gelernt, vor allem in den zwei Jahren, in denen er eng mit einem Kanadier zusammenarbeitete. Omar sagt, es war manchmal hart, wenn alle seine Freunde Samstagabend feierten, während er arbeitete. Aber es war das, was er wollte. Man muss die Dinge tun, die einem wichtig sind, darin waren wir uns einig. Die Betonung lag auf: Tun. Am Ende meines Aufenthalts in Kedougou rettete Omar mir beinahe noch das Leben. Ich hatte einen Nachtbus nach Dakar nehmen wollen, aber er ließ sich am Sonntag ohnehin von einem seiner Mitarbeiter nach Dakar fahren und fand, ich solle doch mit ihnen fahren. Ich entschied mich für die komfortable Variante. Abfahrt war um 6 Uhr morgens. Nach zwei Stunden Fahrt spendierte Omar ein Frühstück in einem Hotel, in dem es für den Kaffee echte Milch gab und nicht das übliche Milchpulver. Als ich vier Stunden später eine an Pinkelpause dachte, hielt der Jeep just in diesem Moment an einer Tankstelle. Diese unaufdringliche Zugewandtheit schätzte ich während der fünf Tage mit Omar besonders. Einen Teil der Fahrt verbrachten wir fassungslos schweigend, nachdem Omar mir die Radionachrichten von Wolof ins Französische übersetzt hatte: In der Nacht zuvor hatte es auf genau dieser Strecke einen Busunfall mit über fünfzig Toten gegeben. Auf einer provisorischen Umleitung fuhren wir über einen Feldweg an der Unfallstelle vorbei. Möglicherweise hätte ich genau in einem der Busse gesessen, wenn ich nicht mit Omar gefahren wäre. (Die Meldung über diesen Busunfall war übrigens im Jahr 2023 eine der wenigen Nachrichten, die es aus dem Senegal in die Hauptnachrichten des deutschen Fernsehens schafften und ich wunderte mich nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal darüber, wie die Auswahl der Nachrichten aus afrikanischen Ländern zustande kommt. Und welches Bild sie in Deutschland vermitteln.) Es verstand sich von selbst, Omar bei unserer Verabschiedung in Dakar nach Berlin einzuladen. Den Teil mit dem Leben retten könnten wir weglassen, aber ich würde ihm gern etwas von Berlin und Deutschland und meinem normalen Leben zeigen. Damit er sich ein eigenes Bild machen kann. In der folgenden Zeit texteten wir hin und wieder – mal schickte er Bilder vom Treffen junger afrikanischer Unternehmer in Bamako, mal vom Weg zu Minen in Guinea-Conakry oder Ruanda, wo er plante, ein Tochterunternehmen zu eröffnen. Einmal kündigte er seinen Besuch in Berlin an: Er plane den Besuch einer Messe für Baumaschinen in Norwegen und wolle auf dem Rückweg einen Abstecher nach Berlin machen. Dann hörte ich sehr lange nichts von ihm, die Zeit seines angekündigten Besuchs verstrich, und ich vermutete, dass man ihm kein Visum gegeben hatte. Was er sehr viel später indirekt bestätigte, als er fragte, ob ich ihm eine Einladung für ein Schengen-Visum schicken könne. Ich habe in meiner Einladung (ein Schreiben für Omar, eines für die Botschaft) nicht behauptet, dass wir ineinander verliebt oder ein Paar sind, wie es sonst manchmal gemacht wird. Ich habe einfach eine Kurzform dessen geschrieben, was ich in diesem Text erzähle, und die deutsche Botschaft gebeten, Omar ein Visum zu erteilen. Ich bin gespannt, ob er demnächst einfach in Berlin aus dem Flugzeug steigen und sich für drei Monate frei in Deutschland bewegen darf. So wie ich es in seinem Heimatland darf – durch das unverdiente Privileg, in Deutschland geboren worden zu sein.