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Warum auf meinen Fotos nur wenige Menschen zu sehen sind

Jan. 24, 2022

Als ich 2013 zum ersten Mal im Senegal war, prägte sich mir ein Moment besonders ein: Ich fotografierte in Saint-Louis, der früheren französischen Kolonialhauptstadt, die Umgebung und entdeckte plötzlich einen einheimischen Jugendlichen, der wiederum mich dabei fotografierte, wie ich seine Stadt und ihre Bewohner ablichtete. Ich senkte ertappt die Kamera und hielt seinem Blick stand, der freundlich war, in dem aber auch ein Hauch von Provokation lag: So ist es, wenn man ungefragt fotografiert wird.


Seither habe ich von meinen Reisen so viele Fotos mitgebracht, dass mich die Datenmenge erschlägt, wenn ich ein spezielles Foto auf meiner Festplatte suche. Immer häufiger bin ich des Fotografierens müde, weil ich an die Unmenge von Fotos denke und möchte inzwischen oft lieber den Moment wahrnehmen, als darüber nachdenken, wie ich ihn konservieren kann. Vor allem aber bin ich vorsichtiger dabei geworden, Menschen abzulichten. Insbesondere hier im Senegal geschieht es häufig, dass jemand energisch den Kopf schüttelt, sobald ich die Kamera hebe. Der Islam verbietet Bilder zwar nicht (ohnehin sind viele angenommenen Verbote eher Empfehlungen, so ist ein Bier oder ein Glas Wein durchaus mit dem Koran vereinbar, zumindest in diesem Land, in dem ein gemäßigter Islam gelebt wird). Aber es gibt eben viele Menschen, die ihr Bild nicht auf irgendwelchen Festplatten von Europäern wissen möchten.


Vielleicht bin ich auch erst durch ein Erlebnis vor einigen Jahren in Äthiopien besonders sensibilisiert. In unserer Reisegruppe war ein Deutscher, der sich damit brüstete, bereits 98 Länder der Erde bereist und bei jeder seiner Reisen mindestens 4000 Fotos gemacht zu haben. Einmal schipperten wir auf einem kleinen Boot über den Blauen Nil und eine junge Einheimische ihm gegenüber wand sich auf ihrem Platz, weil sie seiner Linse ausweichen wollte und dem unvermeidlichen Klicken der Kamera. Vollkommen ungerührt von dieser eindeutig unwilligen Geste drückte er wieder und wieder ab. Am selben Abend wiederholte sich dieser Moment mit einer anderen Einheimischen, die weniger Scheu zeigte und „Nein“ sagte. Da hatte er längst abgedrückt und wir anderen riefen unioso: „Löschen!“

Seine Antwort kam prompt und wiederum vollkommen empathielos und sich selbst zum Mittelpunkt der Welt erklärend: „Ich lösche nie ein Foto.“ Ich habe mich in meinem Leben selten so fremdgeschämt.


Wenn ich seither mit der Kamera um den Hals die Straße entlanggehe, habe ich diese Erfahrung im Hinterkopf. Und wenn jemand eine ablehnende Handbewegung macht, weil ich die Kamera hebe, breche ich sofort ab. Die Menschen haben ein Recht darauf, nicht abgelichtet zu werden - warum auch immer sie das nicht wollen. Eine Straßenszene mit Dutzenden von Menschen zu fotografieren, erweist sich deshalb als schwierig.  Aber es gehört für mich selbstverständlich zum Respekt dem Land gegenüber, in dem ich ein freundlich aufgenommener Gast bin, mich dem Wunsch seiner Bewohner zu fügen.


Manchmal gelingen Fotos, die ein bisschen was zeigen - hier ein Foto vom einem Markt in Dakar (wie auch das Bild oben), eine Straßenszene in Kaolack, und ein Foto aus Miserah, einer kleinen Stadt kurz vor der Grenze zu Gambia, der Platz am Hafen an einem Samstagnachmittag. Und - weil es so schön ist - ein Sonnenuntergang von der vor Dakar liegenden Insel N’gor. Es ist ja nicht so, dass ich gar keine Fotos mache.


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